Es gibt zahlreiche Experimente zum Thema Gehorsam und der daraus entstehenden Mitschuld an amtlich verordneten Verbrechen. Den besten Anschauungsunterricht erhielt man wohl bei den Berichten über sogenannte „Mitläufer“ im Dritten Reich. Leute die „nur“ ihre Pflicht taten und dabei zu wahren Monstern mutierten, welche die Anforderungen ihres Führers noch weit übertrafen. Eigentlich brave und gutmütige Staatsbürger, die plötzlich zu wilden, erbarmungslosen Tieren werden.
Aber das ist kein rein deutsches Phänomen und auch keines, das auf totalitäre Systeme begrenzt ist. Auch die Ausschreitungen von amerikanischen Wärtern im berüchtigten Gefängnis Abu Ghuraib oder von Soldaten in Kriegsgebieten sind Beweis für das Monster, das in ganz normalen Menschen steckt. Vielleicht auch in Ihnen oder mir, wer weiß? Vielleicht muss man es nur wecken. Jedenfalls sollten wir das im Hinterkopf behalten, wenn wir heute behaupten, dass wir nicht verstehen wie bei den Nazis so viele Deutsche nur zugesehen oder sogar begeistert mitgemacht haben. Wir selbst hätten da natürlich ganz anders gehandelt … Tatsächlich?
Ich denke die grundsätzliche Ausrichtung der Menschen hat sich im Lauf der Jahrhunderte nicht wesentlich verändert. Nach wie vor suchen wir nach Vorgaben und Richtlinien nach denen wir uns ausrichten können, nach Autoritäten die uns sagen was richtig und falsch ist, nach „Führern“ die uns die Verantwortung abnehmen für unser Leben. Ich weiß, das ist bei jedem unterschiedlich ausgeprägt, aber in der ein oder anderen Form taucht diese Obrigkeitssehnsucht doch immer wieder auf.
Radikale Religionsführer aller Schattierungen erleben immer neuen Zulauf – egal ob das fundamentalistische Moslems, Juden oder Christen sind. Egal ob es scheinbar starke politische Führer sind oder Rattenfänger mit offensichtlich einfachen Lösungen für komplexe Probleme – die Menschen sind nur allzu gern bereit zu folgen. Eines der interessantesten Experimente dazu war wohl der Milgram-Versuch:
Auch wenn die Ergebnisse aus dem Versuch immer wieder kontrovers diskutiert werden und auch wenn es sich bei den beiden Youtube-Ausschnitten um Filmszenen handelt – die Erkenntnis bleibt: Ohne den blinden Gehorsam und der Obrigkeitshörigkeit wären Diktaturen und sonstige Verstöße gegen die Menschenrechte kaum möglich. Wo aber liegt die Grenze. Anarchie wäre doch auch kein erstrebenswerter Zustand, oder? Schauen wir wie es weiter geht. Vor allem die Lage des Zuschauers (Beobachters) und die Erkenntnis als er sich seiner Rolle bewusst wird, finde ich interessant. Aber schauen Sie selbst:
Wir alle brauchen Regeln und Gesetze. Ohne diese Hilfsmittel wäre ein Zusammenleben leider (noch) nicht möglich. Wenn diese Regeln und Gesetze aber ohne Herz, ohne Liebe und buchstabengetreu umgesetzt werden, ohne kritisches Hinterfragen – dann laufen wir große Gefahr das Monster in uns zu wecken. Wenn die oberste Autorität nicht mehr der Ethik und dem Rechtsbewusstsein gehört, sondern Buchstaben und Zahlen eines willkürlichen Buches oder Befehls, dann verlieren wir die Menschlichkeit, oder das was wir darunter verstehen.
Liebe, Mitgefühl und die goldene Regel, anderen nichts anzutun, was man selbst auch nicht erleben möchte, das alles sind Dinge, die wir mit Sicherheit noch nicht immer umsetzen können. Und wir sind auch noch weit davon entfernt, dieses Ideal wirklich zu leben, sonst bräuchten wir nicht so viele Gesetze. Aber so lange diese übergeordneten ethischen Grundsätze über den Gesetzestexten und Autoritätsvorgaben stehen, können wir Regeln mit Leben füllen und sie menschlich auslegen. Damit wäre ein Grundstein für eine bessere Welt gelegt, auch wenn das noch ein bisschen blauäugig klingen mag, ein schöner Traum ist es allemal. Was meinen Sie?