Ewiges Leben – Fluch oder Segen?

In einem Artikel von Eamonn Fitzgerald in der Zeitschrift Business Spotlight, geht es um die Frage wie alt wir werden möchten und wohin uns das in Zukunft führt. Aubrey de Grey, ein britischer Forscher, der behauptet, älter werden ist nicht mehr, als ein technisches Problem, das gelöst werden wird, sagte auf der ersten Anti-Aging-Conference an der University of Cambridge, wenn er es bis 110 schafft sind die Chancen gut es auch bis 1000 Jahre oder mehr zu schaffen. De Grey ist Mitglied einer schnell wachsenden Unsterblichkeitsbewegung, einer Gruppe von Genforschern und Biologen, die planen nicht, oder zumindest erst in einigen Jahrhunderten zu sterben. Sponsoren für die Forschung gibt es bereits. Menschen wie Gary Hudson (Privat-Weltraumreisender), die noch den Traum haben, zum Mars zu fliegen, sind gerne bereit in ihr Überleben zu investieren, wohlwissend, dass es wohl noch mindestens weitere hundert Jahre dauern wird bis ein Privatmann solche Reisen unternehmen kann. Neben diversen Nahrungsergänzungsmitteln und sonstigen Ernährungsansätzen, geht es hauptsächlich um Stammzellenforschung, dem therapeutischen Klonen, welches unsere Haupttodesursachen besiegen könnte, wie Krebs, Herz- Kreislauferkrankungen oder das Altern der Zellen an sich.

Mal abgesehen von der moralischen Frage ob das Klonen und das nachfolgende Zerstören von Embryos in Ordnung ist oder nicht, stellen sich weitere interessante Fragen. Wie würde unser Leben aussehen, wenn wir nicht sterben müssten, oder zumindest sehr viel länger leben könnten als jetzt? Was macht man 1000 Jahre lang auf dieser Erde? Wollen wir das wirklich? Was wären die Folgen für die Menschen, die Umwelt, den Fortschritt und die Evolution?

Die Frage ob es moralisch vertretbar ist, möchte ich hier ausdrücklich jedem selbst zur Beantwortung überlassen. Da es eine ethische oder auch religiöse Glaubensfrage ist, wird man sich darüber sowieso nicht einig werden. Aber angenommen, man würde tatsächlich eine Lösung finden, die es auf „moralisch einwandfreie“ Weise ermöglicht 1000 Jahre oder älter zu werden. Was würde das, bezogen auf oben genannte Fragen bedeuten? Wie würde unsere Welt, unser Leben und unsere Umwelt aussehen?

„Wer will, dass alles so bleibt wie es ist, muss sich verändern.“

Verfasser unbekannt

Dieses Zitat hat zwar nur indirekt mit der Fragestellung nach dem ewigen Leben zu tun, aber es führt uns vielleicht auf die richtige Spur. Der Mensch entwickelt sich selbst nur sehr begrenzt weiter, weil er Veränderungen scheut und nach der Erreichung eines gewissen Besitzstandes zur Bewahrung desselbigen übergeht. In kleinerer Form machen wir diesen Prozess in unserem Land ja gerade durch. Jeder weiß, dass Veränderung und Einschnitte nötig sind, aber keiner möchte das für sich in seinem Bereich wahrhaben. Wir werden also,  sollten wir dieses Stadium nicht überwinden, wie alle Gesellschaften vor uns, untergehen. Geschichte wiederholt sich ständig. Alles ist im Wandel begriffen und die Evolution arbeitet im Zeithorizont von Generationen, das heißt größere Veränderungen finden über eine oder mehrere Generationen hinweg statt.

Junge Menschen, die noch nichts oder nicht viel zu verlieren haben, die noch glauben die Welt im Sturm erobern zu können und alles auf den Kopf stellen zu können, verändern unsere Welt permanent, bis sie älter werden und die Verlustängste um sich greifen. Danach gilt es das Erreichte zu bewahren und die Verantwortung für das Einreißen von Mauern geht an die nächste Generation über. Eine Anpassung an immer schneller voranschreitende Entwicklungen ist so gewährleistet.

Was aber passiert, wenn wir nicht mehr nach ein bis zwei Generationen abtreten sondern noch zusammen mit unseren Urvätern auf der Welt sind? Was hätten wir plötzlich zu verlieren? Ich meine, es ist jetzt schon tragisch wenn ein Mensch vorzeitig gehen muss, sei es durch eine schwere Krankheit oder einen Unfall, aber um wie viel schlimmer muss es sein, wenn man dadurch Jahrhunderte verliert? Oder wäre man zum Teil sogar froh, wenn es endlich zu Ende ginge?

Der Reiz des Lebens liegt zu einem großen Teil in dem Bewusstsein begründet, dass es begrenzt ist. Die Würze besteht darin, dass es eben nicht möglich ist, alles zu erreichen oder zu machen, sondern aussuchen muss, was einem wirklich wichtig ist. Die Spannung liegt im täglichen Kampf um Träume, Pläne und Verwirklichungen unter dem Aspekt, dass wir nicht ewig Zeit haben alles zu erreichen. Würden wir nicht vor Langeweile sterben, würde dieser Aspekt wegfallen? Der Druck etwas anzugehen wäre weg und somit die Wahrscheinlichkeit von Stillstand sehr groß. Vor allem da die Menschen wohl sehr viel vorsichtiger werden würden.

Wer würde noch große Risiken eingehen, wenn er soviel zu verlieren hätte? Ich meine, im Moment verlieren wir ein paar Lebensjahre wenn wir umkommen, was schon schlimm genug ist, aber wie viele würden sich vor lauter Angst zuhause einschließen, wenn sie das ewige Leben oder zumindest einige Jahrhunderte verlieren könnten?

Ich glaube, unsere Weiterentwicklung würde gestoppt. Unsere technischen Mittel würden sich sicher verfeinern und die Möglichkeiten erweitern, aber die Qualität des Lebens würde dramatisch sinken.

Das ist die allgemeine Betrachtung der Frage. Ob man, als persönlich Betroffener, genauso antworten würde, wenn man am Ende seines Lebens gefragt würde, ob man noch ein paar gesunde Jahre anhängen will, steht auf einem anderen Blatt. Wer noch gesund und vital ist und eine Aufgabe hat, sei es auch nur ein Hobby oder ähnliches, der möchte im Normalfall auch noch nicht sterben. Würden wir dann das Angebot zum Eigennutz in Anspruch nehmen oder unserer übergeordneten Verpflichtung zum Abtreten freiwillig nachkommen? … Was meinen Sie?

Ich freue mich auf Ihre Ansichten dazu …

Bis bald
Ihr
Gerd Ziegler

~ von Gerd Ziegler - 17. Oktober 2009.

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